Sonntag, 10. April 2011

Polen gedenkt den Opfern des Flugzeugabsturzes bei Smolensk

Der 10. April 2010 ist ein grauer und regnerischer Samstag. Viele Polen sitzen noch am Frühstückstisch als die Radio- und Fernsehsender eine Meldung verbreiten, die binnen weniger Stunden um die Welt geht.
Wer damals mit mir in Poznan war, wird sich noch gut an den Ausnahmezustand, der an diesem Tag herrschte, erinnern können.
Am 10. April 2010 stürzte bei Smolensk eine russische Tupolew Tu-154M der polnischen Luftwaffe ab und zerschellte im Nebel. Keiner der Insassen überlebte.
Präsident Lech Kaczynski, seine Frau Maria, bedeutende Politiker, führende Militärs. Sie alle sterben an diesem Samstag. Die Hälfte der polnischen Regierung ausgelöscht.
Ein ganzes Land versinkt im Schockzustand. Für ein paar Tage rücken die Polen eng zusammen. 180.000 Menschen pilgerten zum Präsidentenpalast in Warschau, um ihre Trauer zu bekunden.

Doch schon bald werden die Ereignisse von dunkleren Wolken überschattet. Ein alter Streit entfacht neu. Konservative und Liberale streiten wochenlang um ein provisorisch aufgestelltes Holzkreuz vor dem Präsidentenpalast. Die christlichen Fundamentalisten aus dem Kaczynski-Lager wollen, dass es stehen bleibt und liefern sich hitzige Wortgefechte mit all denen, die zur Normalität zurückkehren und das Kreuz beseitigen wollen.

Außerdem erhitzen Verschwörungstheorien über die Absturzursache die Gemüter.
Es ist vor allem Jaroslaw Kaczynski, der Zwillingsbruder des verstorbenen Staatsoberhauptes, der die Stimmung anheizt. Obschon alles darauf hinweist, dass vor dem Absturz die entscheidenden Fehler im Cockpit der Präsidentenmaschine begangen worden sind, verbreitet Kaczynski weiterhin Verschwörungstheorien. Er macht Polens Premier Donald Tusk und die russische Regierung für die Tragödie mitverantwortlich. Er handelt aus Kalkül, denn im Herbst 2011 sind Parlamentswahlen.

Mit Smolensk will Kaczysnki punkten. Dabei haben insbesondere die jungen, liberalen und toleranten Wähler die Nase voll von dem Thema. Mehr als hunderttausend Polen schlossen sich Anfang dieses Jahres einem Internet-Aufruf an und plädierten für „Einen Tag ohne Smolensk“.

Die Ereignisse vom 10. April haben das Land gespalten. Und die Zerrissenheit wird am ersten Jahrestag der Katastrophe deutlich zu Tage treten. Denn natürlich gedenken die Konservativen und die Liberalen der Opfer nicht gemeinsam. Geplant sind mehrere Trauerfeiern, aber auch Demonstrationen. Allein in Warschau wollen zehntausende Kaczynski-Anhänger gegen die Regierung auf die Straße gehen. Sie sollten bedenken, dass sie ihren Protest auf den Gräbern von 96 Toten austragen.

(Quellen: ARD-Hörfunkstudio Warschau, nzz.ch, infoseite-polen.de)

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